Difference between revisions of "Ursprache"

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Proto-Sprache, Elternsprache
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Grundsprache, Proto-Sprache, Elternsprache
  
 
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Vereinzelt wird mit dem Begriff ''Ursprache'' auch eine in Monogenese entstandene Weltursprache (engl. proto-human, proto-world, proto-sapiens) bezeichnet.
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Vereinzelt wird mit dem Begriff ''Ursprache'' auch eine in Monogenese entstandene Weltursprache (engl. ''proto-human'', ''proto-world'', ''proto-sapiens'') bezeichnet.
  
 
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Das Konzept der Ursprache geht maßgeblich auf William Jones zurück. Aufbauend auf insbesondere morphologischen Ähnlichkeiten postulierte er 1786 in einem Vortrag eine gemeinsame Ursprungssprache für Sanskrit, Griechisch und Latein, von welcher darüber hinaus Gotisch, die keltischen Sprachen und Alt-Persisch abstammen sollten (Jones 1807: 34-35). Die so erstmals beschriebene Sprachfamilie erhielt später den Namen ''Indo-Europäisch'' bzw. ''Indo-Germanisch'', ihre Ursprache wird als ''Urindogermanisch'' bezeichnet.
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Das Konzept der Ursprache geht maßgeblich auf William Jones zurück. Aufbauend auf insbesondere morphologischen Ähnlichkeiten postulierte er 1786 in einem Vortrag eine gemeinsame Ursprungssprache für [[Sanskrit]], [[Griechisch]] und [[Latein]], von welcher darüber hinaus [[Gotisch]], die keltischen Sprachen und Alt-Persisch abstammen sollten (Jones 1807: 34-35). Die so erstmals beschriebene Sprachfamilie erhielt später den Namen [[Indogermanisch|''Indo-Europäisch'']] bzw. ''Indo-Germanisch'', ihre Ursprache wird als [[Urindogermanisch|''Urindogermanisch'']] bezeichnet.
  
Wie alle Sprachen unterliegen auch Ursprachen, soweit sie tatsächlich gesprochen wurden, Sprachwandelprozessen und somit der Herausbildung von Dialekten, was sich im Rahmen der [[Rekonstruktion]] jedoch nicht darstellen lässt. Bei weiterer Differenzierung entwickeln sich diese zu unterschiedliche Sprachen. Die Beziehung zwischen einer Ursprache und den aus ihr hervorgegangenen Sprachen wird häufig durch Verwandschaftsbeziehungen ausgedrückt, indem die Ursprache als ''Elternsprache'' (engl. ''mother language'', die deutsche Übersetzung ''Muttersprache'' ist unüblich, da so i.d.R. die L1-Sprache bezeichnet wird) dient, die aus ihr hervorgegangenen Sprachen als ''Tochtersprachen'' (engl. ''daughter language'').
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Wie alle Sprachen unterliegen auch Ursprachen, soweit sie tatsächlich gesprochen wurden, Sprachwandelprozessen und somit der Herausbildung von Dialekten, was sich im Rahmen der [[Rekonstruktion]] jedoch nicht darstellen lässt. Bei weiterer Differenzierung entwickeln sich diese zu unterschiedliche Sprachen. Die Beziehung zwischen einer Ursprache und den aus ihr hervorgegangenen Sprachen wird häufig durch Verwandtschaftsbeziehungen ausgedrückt, indem die Ursprache als ''Elternsprache'' (engl. ''mother language'', die deutsche Übersetzung ''Muttersprache'' ist unüblich, da so i.d.R. die L1-Sprache bezeichnet wird) dient, die aus ihr hervorgegangenen Sprachen als ''Tochtersprachen'' (engl. ''daughter language'').
  
In Anlehnung an die Evolutionsbiologie bildet eine Ursprache mit den aus ihr hervorgegangenen Sprachen eine [[Sprachfamilie]] (auch ''genetische Einheit''), wobei die Tochtersprachen ihrerseits Elternsprache für einen Zweig innerhalb der Sprachfamilie werden können. Dies wird etwa am Beispiel des [[Germanischen]] deutlich: Als Tochtersprache des Urindogermanischen entwickelten sich aus ihm die Tochtersprachen [[Westgermanisch|West-]], [[Nordgermanisch|Nord-]] und [[Ostgermanisch]] als Vorläufer moderner Sprachen wie Deutsch, Schwedisch oder des ausgestorbenen Gotisch sind. Germanisch sowie West-, Nord- und Ostgermanisch sind demzufolge jeweils sowohl Eltern- als auch Tochtersprachen.
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In Anlehnung an die Evolutionsbiologie bildet eine Ursprache mit den aus ihr hervorgegangenen Sprachen eine [[Sprachfamilie]] (auch ''genetische Einheit''), wobei die Tochtersprachen ihrerseits Elternsprache für einen Zweig innerhalb der Sprachfamilie werden können. Dies wird etwa am Beispiel des [[Germanisch|Germanischen]] deutlich: Als Tochtersprache des Urindogermanischen entwickelten sich daraus die Tochtersprachen [[Westgermanisch|West-]], [[Nordgermanisch|Nord-]] und [[Ostgermanisch]] als Vorläufer moderner Sprachen wie [[Deutsch]], [[Schwedisch]] oder des ausgestorbenen Gotisch. Germanisch sowie West-, Nord- und Ostgermanisch sind demzufolge jeweils sowohl Eltern- als auch Tochtersprachen.
  
 
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Durch die sprachgeschichtlich spät einsetzende Schriftlichkeit sind Ursprachen regelmäßig nicht bezeugt. Mittels vergleichender Methode konnten Aspekte verschiedener Ursprachen jedoch rekonstruiert werden. Neben dem Urindogermanischen sind etwa das mittelamerikanische Ur-Maya, Ur-Austronesisch (Ursprache etwa der Sprachen Polynesiens) oder Uralisch (Ursprache u.a. des Finnischen und Ungarischen) zu nennen.
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Durch die sprachgeschichtlich spät einsetzende Schriftlichkeit sind Ursprachen regelmäßig nicht bezeugt. Mittels vergleichender Methode konnten Aspekte verschiedener Ursprachen jedoch rekonstruiert werden. Neben dem Urindogermanischen sind etwa das mittelamerikanische [[Ur-Maya]], [[Ur-Austronesisch]] (Ursprache etwa der Sprachen Polynesiens) oder [[Uralisch]] (Ursprache u.a. des Finnischen und Ungarischen) zu nennen.
  
  
 
==Siehe auch==
 
==Siehe auch==
 
[[Sprachfamilie]], [[Sprachwandel]], [[Lautwandel]], [[Rekonstruktion]], [[Urindogermanisch]]
 
[[Sprachfamilie]], [[Sprachwandel]], [[Lautwandel]], [[Rekonstruktion]], [[Urindogermanisch]]
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==Andere Sprachen==
 
==Andere Sprachen==
 
engl. [[Proto-language]]
 
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==Literatur==
 
==Literatur==
Campbell, Lyle. 2013. Historical Linguistics: An Introduction. 3. Auflage. Edinburgh: Edinburgh University Press.
 
 
Campbell, Lyle & Mauricio J. Mixco. 2007. A Glossary of Historical Linguistics. Edinburgh: Edinburgh University Press.
 
 
Carling, Gerd. 2019. Mouton Atlas of Languages and Culture: Vol. 1 Europe and West, Central, and South Asia. Berlin, Boston: De Gruyter.
 
 
Crowley, Terry. 1992. An Introduction to Historical Linguistics. 2. Auflage. Auckland, New York: Oxford University Press.
 
 
Hock, Hans Heinrich & Brian D. Joseph. 2019. Language History, Language Change and Language Relationship: An Introduction to Historical and Comparative Linguistics. 3. Auflage. Berlin, Boston: De Gruyter.
 
  
Jones, Sir William. 1807 . The third anniversary discourse, on the Hindus. In: Lord Teignmouth (ed.). 1807. The works of Sir William Jones with the Life of the Author. Bd. 3. London: John Stockdale/John Walker, 24-46.
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* Campbell, Lyle. 2013. ''Historical Linguistics: An Introduction''. 3. Auflage. Edinburgh: Edinburgh University Press.
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* Campbell, Lyle & Mauricio J. Mixco. 2007. ''A Glossary of Historical Linguistics''. Edinburgh: Edinburgh University Press.
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* Carling, Gerd. 2019. ''Mouton Atlas of Languages and Culture: Vol. 1 Europe and West, Central, and South Asia''. Berlin, Boston: De Gruyter.
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* Crowley, Terry. 1992. ''An Introduction to Historical Linguistics''. 2. Auflage. Auckland, New York: Oxford University Press.
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* Hock, Hans Heinrich & Brian D. Joseph. 2019. ''Language History, Language Change and Language Relationship: An Introduction to Historical and Comparative Linguistics''. 3. Auflage. Berlin, Boston: De Gruyter.
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* Jones, Sir William. 1807 . The third anniversary discourse, on the Hindus. In: Teignmouth, Lord (ed.). ''The works of Sir William Jones with the Life of the Author. Bd. 3''. London: John Stockdale/John Walker, 24-46.

Revision as of 14:20, 22 March 2023

Als Ursprache wird eine meist hypothetische, rekonstruierte Sprache bezeichnet, aus welcher miteinander verwandte Tochtersprachen hervorgegangen sind.

Synonyme

Grundsprache, Proto-Sprache, Elternsprache

Polyseme

Vereinzelt wird mit dem Begriff Ursprache auch eine in Monogenese entstandene Weltursprache (engl. proto-human, proto-world, proto-sapiens) bezeichnet.

Kommentare

Das Konzept der Ursprache geht maßgeblich auf William Jones zurück. Aufbauend auf insbesondere morphologischen Ähnlichkeiten postulierte er 1786 in einem Vortrag eine gemeinsame Ursprungssprache für Sanskrit, Griechisch und Latein, von welcher darüber hinaus Gotisch, die keltischen Sprachen und Alt-Persisch abstammen sollten (Jones 1807: 34-35). Die so erstmals beschriebene Sprachfamilie erhielt später den Namen Indo-Europäisch bzw. Indo-Germanisch, ihre Ursprache wird als Urindogermanisch bezeichnet.

Wie alle Sprachen unterliegen auch Ursprachen, soweit sie tatsächlich gesprochen wurden, Sprachwandelprozessen und somit der Herausbildung von Dialekten, was sich im Rahmen der Rekonstruktion jedoch nicht darstellen lässt. Bei weiterer Differenzierung entwickeln sich diese zu unterschiedliche Sprachen. Die Beziehung zwischen einer Ursprache und den aus ihr hervorgegangenen Sprachen wird häufig durch Verwandtschaftsbeziehungen ausgedrückt, indem die Ursprache als Elternsprache (engl. mother language, die deutsche Übersetzung Muttersprache ist unüblich, da so i.d.R. die L1-Sprache bezeichnet wird) dient, die aus ihr hervorgegangenen Sprachen als Tochtersprachen (engl. daughter language).

In Anlehnung an die Evolutionsbiologie bildet eine Ursprache mit den aus ihr hervorgegangenen Sprachen eine Sprachfamilie (auch genetische Einheit), wobei die Tochtersprachen ihrerseits Elternsprache für einen Zweig innerhalb der Sprachfamilie werden können. Dies wird etwa am Beispiel des Germanischen deutlich: Als Tochtersprache des Urindogermanischen entwickelten sich daraus die Tochtersprachen West-, Nord- und Ostgermanisch als Vorläufer moderner Sprachen wie Deutsch, Schwedisch oder des ausgestorbenen Gotisch. Germanisch sowie West-, Nord- und Ostgermanisch sind demzufolge jeweils sowohl Eltern- als auch Tochtersprachen.

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Vereinfachte Darstellung des Stammbaums der germanischen Sprachen.


Durch die sprachgeschichtlich spät einsetzende Schriftlichkeit sind Ursprachen regelmäßig nicht bezeugt. Mittels vergleichender Methode konnten Aspekte verschiedener Ursprachen jedoch rekonstruiert werden. Neben dem Urindogermanischen sind etwa das mittelamerikanische Ur-Maya, Ur-Austronesisch (Ursprache etwa der Sprachen Polynesiens) oder Uralisch (Ursprache u.a. des Finnischen und Ungarischen) zu nennen.


Siehe auch

Sprachfamilie, Sprachwandel, Lautwandel, Rekonstruktion, Urindogermanisch


Andere Sprachen

engl. Proto-language


Literatur

  • Campbell, Lyle. 2013. Historical Linguistics: An Introduction. 3. Auflage. Edinburgh: Edinburgh University Press.
  • Campbell, Lyle & Mauricio J. Mixco. 2007. A Glossary of Historical Linguistics. Edinburgh: Edinburgh University Press.
  • Carling, Gerd. 2019. Mouton Atlas of Languages and Culture: Vol. 1 Europe and West, Central, and South Asia. Berlin, Boston: De Gruyter.
  • Crowley, Terry. 1992. An Introduction to Historical Linguistics. 2. Auflage. Auckland, New York: Oxford University Press.
  • Hock, Hans Heinrich & Brian D. Joseph. 2019. Language History, Language Change and Language Relationship: An Introduction to Historical and Comparative Linguistics. 3. Auflage. Berlin, Boston: De Gruyter.
  • Jones, Sir William. 1807 . The third anniversary discourse, on the Hindus. In: Teignmouth, Lord (ed.). The works of Sir William Jones with the Life of the Author. Bd. 3. London: John Stockdale/John Walker, 24-46.