Lexikalisches Entscheiden

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Grundlagen

In der klassischen Psycholinguistik ist das lexikalische Entscheiden (lexical decision task, auch LDT) eine der am häufigsten verwendeten Untersuchungsmethoden. Es gehört zu den behavioralen Methoden (verhaltensorientiert, von engl. behavior = Verhalten). Der Terminus „lexikalisches Entscheiden“ geht auf Meyer / Schvaneveldt (1971)[1] zurück.

Hierbei gibt es mehrere mögliche Untersuchungsziele: entweder sollen die Probanden sprachliche Äußerungen produzieren oder es wird die Reaktionszeit einer Entscheidung (meist über Wort oder Nicht-Wort) per Tastendruck gemessen. Bei der Reaktionszeitmessung kann zudem noch die Richtigkeit der Antwort eine Rolle spielen. Es wurden zudem Verfahren entwickelt, um derartige Experimente auch mit Säuglingen und Kleinkindern durchführen zu können. Die kindgerechte Variante des lexikalischen Entscheidens erfasst beispielsweise Saugstärke, Saugfrequenz oder Augenbewegungen und die damit verbundenen Blickzeiten, um so ein Erkennen messen zu können[2][3].

Mentales Lexikon

Grundlegend ist hierbei die Annahme, dass das mentale Lexikon in unterschiedliche Wissensbereiche gegliedert ist. Das sind beispielsweise die Bereiche phonologisches Wissen, morphologisches Wissen, syntaktisches Wissen, semantisches Wissen und orthographisches Wissen[4] Auf diese Strukturen müssen SprecherInnen zugreifen, um lexikalische Entscheidungen treffen zu können. Beim Treffen einer lexikalischen Entscheidung über Wort oder Nichtwort (lexikalischer Zugriff) wird also das mentale Lexikon durchsucht, bis festgestellt wird, dass es sich bei Bank um ein Wort handelt, bei Zysfg aber nicht. Gemessen wird die Reaktionszeit bis zur Entscheidung per Tastendruck. Neben der Reaktionszeit kann auch die Richtigkeit der Antwort von Belang sein.

Die Reaktionszeit dient zur Feststellung der Zeit, die eine Versuchsperson (VP) für eine bestimmte mentale Operation benötigt. Sie wird als „Index für Verarbeitungsgeschwindigkeit“[5] angesehen und bewegt sich meist im Bereich von Milisekunden für die Worterkennung bei geschriebener oder gesprochener Sprache. Hierbei spielt neben dem lexikalischen Zugriff auch die Zugriffsgeschwindigkeit auf semantische Aspekte eine Rolle.

Aufgabenstellung

Einer VP wird eine Buchstabenreihe als Item präsentiert. Sie muss entscheiden, ob es sich dabei um ein Wort oder um ein Nichtwort in der jeweiligen Sprache handelt (Bank / Zysfg). Die Präsentation des Items kann dabei visuell oder auditiv erfolgen. Bei der visuellen Präsentation hat die VP einen Monitor vor sich, auf dem das Item angezeigt wird. Auditiv kann das Item über Lautsprecher oder Kopfhörer präsentiert werden. Bei Lautsprechern ist darauf zu achten, dass Störgeräusche aus der näheren Umgebung auszuschließen sind. Dazu zählen unter anderem laute Gespräche aus dem Nebenraum, eine nahe Baustelle oder ähnliches. Auch die Aufnahme selbst muss ebenfalls frei von Störgeräuschen sein.

Die VP muss auf den Stimulus hin per Tastendruck reagieren. Bei einer lexikalischen Entscheidung über Wort und Nichtwort sind meist zwei Tasten vorgegeben: eine für eine positive und eine für eine negative Rückmeldung. Bei mehr als zwei Tasten wird die Reaktionszeit insofern verfälscht, als dass die VP zunächst ihre Finger von einer Taste zur nächsten bewegen muss.

Beeinflussende Effekte

Nicht nur beim lexikalischen Entscheiden, sondern bei allen psycholinguistischen Experimenten muss man bestimmte Störfaktoren eliminieren um zu aussagekräftigen Ergebnissen zu gelangen. Faktoren, die die Antworten der VP beeinflussen können, finden sich auch innerhalb der Items selbst. Je nachdem in welcher Reihenfolge sie dargeboten werden oder welcher Art die Items sind, kann dies enormen Einfluss auf die Reaktionsgeschwindigkeit haben.

Ist das Experiment sehr lang (z.B. eine Stunde) und/oder ist die Anzahl der abgefragten Items sehr hoch, empfiehlt sich eine oder mehrere eingebaute Pausen während des Tests. Die VP hat so die Möglichkeit sich kurz zu erholen. Einsetzende Ermüdung oder Frustration durch zu lange Durchgänge ohne Pausen können zu verfälschten Ergebnissen führen.

Bei der Auswahl der Items ist darauf zu achten, dass Priming vermieden wird. Hierbei handelt es sich um Einflüsse, die phonologisch und semantisch verwandte oder ähnliche Wörter auf die folgenden Antworten haben. Phonologisches Priming etwa liegt vor, wenn zwei Items sich nur durch ein Phonem unterscheiden (Haus und Maus), semantisches Priming wird durch bedeutungsähnliche oder -verwandte Wörter ausgelöst (Apfel und Birne). Um Priming zu vermeiden, empfiehlt es sich ausreichend Items abzufragen, die nichts mit der eigentlichen Aufgabenstellung zu tun haben. Das den Effekt auslösende Wort bzw. der auslösende Kontext wird prime genannt.

Neben Priming spielt der Wortüberlegenheitseffekt eine wichtige Rolle. Er besagt, dass Buchstabenfolgen, die ein Wort darstellen, schneller erkannt werden als einzelne Buchstaben oder Items, die kein Wort darstellen[6].


Verweise

  1. Meyer, David E. & Schvaneveldt, Roger W. 1971. Facilitation in recognizing pairs of words: Evidence of a dependence between retrieval operations. In: Journal of Experimental Psychology, 90, 227-234.
  2. Höhle, Barbara (Hg.). 2010: Psycholinguistik. Berlin: Akademie Verlag, 24f.
  3. Dijkstra, Ton & Kempfen, Gerard. 1993: Einführung in die Psycholinguistik. Göttingen: Hans Huber, 121.
  4. ebd., 35-36.
  5. Höhle, Barbara (Hg.). 2010: Psycholinguistik. Berlin: Akademie Verlag, 24f.
  6. ebd., 26.

Literatur