Textmuster

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Unter Textmuster versteht man der Prototyp einer von authentischen Texten abstrahierten textsortentypischen komplexen Textkonfiguration.

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Die früher häufig synonym verwendeten Termini Textsorte und Textmuster werden zunehmend differenziert: der Begriff Textsorte weist auf Prozesse des Unterscheidens bei Klassifizierungen hin, der Terminus Textmuster auf Prozesse des (Wieder-)Erkennens und Aktivierens eingeprägter Textgestalten, wobei inhaltlich oder thematische Entwicklungen weniger berücksichtigt werden.

Sandig zeigte schon früh den Zusammenhang von Textsorten und Handlungsmustern (Sandig 1972: 123). Sie versteht Muster als komplexe, in sich strukturierte Einheiten. Als Beispiele nennt sie Intonations-, Satz-, Wissens- und Handlungsmuster, Text- und Stilmuster (Sandig 1989: 133).

Heinemann differenziert globale Textmuster von Textsorten und bezeichnet sie als textorientierte psychische Potentiale, als abstrakte Rahmenschemata (Heinemann 1990: 12 f). Nach Heinemann, für den Textmusterwissen prototypisches Wissen ist, spielen die durch bestimmte Interaktionszusammenhänge aktivierten globalen Textmuster eine wesentliche Rolle in den Strategien der Textproduktion und der Textrezeption (Heinemann 1990: 14 f).

Nach Heinemann und Viehweger [. . .] soll der Terminus ´globales Textmuster´ verstanden werden als Abbreviatur von globalem ´Textstrukturmuster´, also einer bestimmten formalen Grundgestalt des Textes, die mit bestimmten interaktionalen Konstellationen korreliert (Heinemann & Viehweger 1991: 170). Als Beispiele für globale Textmuster nennen sie Telegramm, Todesanzeige (172), Diplomarbeit, Kochrezept (173), (schriftlichen) Antrag: Die Kenntnis solcher globalen Textmuster [. . .] ist sowohl für die Textproduktion als auch für Rezeptionsprozesse von grundlegender Bedeutung (Heinemann & Viehweger 1991: 174)

Für die Aktivierung jeweils geeigneter (gespeicherter) Textmuster in Rezeptionsprozessen erhalten Rezipienten oft Hinweise durch situative Präsignale (z. B. Zeitung, Rundfunkübertragung, Hörsaal) und durch Textindikatoren (u. a. Überschriften) (Heinemann & Viehweger 1991: 175).

Heinemann und Viehweger weisen darauf hin, dass sich trotz der vieldeutigen Verwendung des Musterbegriffs ein gemeinsames Fundament in dessen Verständnis feststellen lässt: Ein Muster oder Schema ist eine Wissensstruktur über die sequentielle Realisierung von Texten und Gesprächen, die Sprecher in ihrer sprachlichen Tätigkeit zur Realisierung bestimmter Interaktions- oder Handlungsziele erworben haben. Schemata oder Muster sind in der gesellschaftlichen Praxis erprobte Wege zur Zielrealisierung, die mit Handlungskontexten in einem systematischen Zusammenhang stehen (Heinemann & Viehweger 1991: 194)

Siehe auch

Textmusterwissen, Textsorten, Intertextualität, Prototyp, Textproduktion, rezeptive Textverarbeitung

Link

Eva Schoenke, Textlinguistik-Glossar

Literatur

  • Heinemann, Wolfgang. 1990. Textsorten/Textmuster - ein Problemaufriss. In Textsorten/Textmuster in der Sprech- und Schriftkommunikation. Festschrift zum 65. Geburtstag von Wolfgang Heinemann (= Wissenschaftliche Beiträge der Universität Leipzig). Mackeldey, Roger (Hrsg.), 8-16.
  • Heinemann, Wolfgang & Dieter Viehweger. 1991. Textlinguistik. Eine Einführung (= Reihe Germanistische Linguistik 115). Tübingen: Niemeyer.
  • Sandig, Barbara. 1972. Zur Differenzierung gebrauchssprachlicher Textsorten im Deutschen. In Textsorten. Differenzierungskriterien aus linguistischer Sicht. Gülich, Elisabeth, Wolfgang Raible (Hrsg.), 113-124. Wiesbaden: Athenäum.
  • Sandig, Barbara. 1989. Stilistische Mustermischungen in der Gebrauchssprache. In Zeitschrift für Germanistik 10/2/89, 133-155.