Textproduktion
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Textproduktion bezeichnet einen komplexen Handlungsprozess, durch den Intentionen sprachlich realisiert werden; und einen Problemlösungsprozess, bei dem Wissensverarbeitung die textsortenspezifische Entfaltung eines Textthemas ermöglicht.
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In textlinguistischen Untersuchungen zur schriftlichen Textproduktion werden neben handlungstheoretischen und kognitionswissenschaftlichen Überlegungen auch Ergebnisse der Schreibforschung berücksichtigt. Die Verwendung des Terminus Textproduktion (anstelle von Begriffen wie Textbildung, Textkonstitution, Textentwicklung) signalisiert in der Regel, dass die Wissensverarbeitung berücksichtigt wird. *Für alle gezielten Aktivitäten, die Schreiben als mentalen und sprachlichen Prozess charakterisieren, wurde der Begriff Textproduktion eingeführt (Molitor-Lübbert (1996: 1005)。
Die Textproduktion ist ein intentions- und interessengelenkter Handlungsprozess. Ausgehend von einer Kommunikationssituation, die beeinflusst werden soll, wird im Langzeitgedächtnis gespeichertes internes Wissen aktiviert, bei Bedarf durch externes Wissen ergänzt, verarbeitet und in z. T. neu entstehende kognitive Strukturen überführt.
Die Resultate der kognitiven Integrationsprozesse können bei schriftlicher Textproduktion gründlich reflektiert und revidiert werden, da hier die Situationen der Textproduktion und der Textrezeption voneinander getrennt sind. Der Zeitfaktor und die (meist vorhandene) Distanz zu den Adressaten ermöglichen eine gründliche (und teilweise wiederholte) Verarbeitung des Wissens. Bei der Verschriftlichung von Formulierungen begünstigen zeitliche Verzögerungen die Aktivierung weiteren Wissens, das integriert und verarbeitet werden kann (vgl. auch Antos 1982: 187 ff).
Als Handlungsprozess setzt Textproduktion Planung voraus. Die Gesamtplanung des Textes dominiert während des Produktionsprozesses die Einzelschritte; die Verfolgung der dem Thema untergeordneten Einzelgedanken ist von der Entwicklung des (textsortenspezifischen) Gesamtplans abhängig. Von Phasen im Prozess der Textproduktion gehen seit den 80er Jahren die Schreibforschung (in den USA) und die (vor allem in Europa vertretene) Textlinguistik aus (vgl. dazu Antos 2000).
Schreiben wird in der Schreibforschung im Anschluss an Hayes & Flower (1980) als Problemlösungsprozess (mit interagierenden Subprozessen) verstanden. Untersuchungen der Schreibkompetenz (Bereiter 1980) bereiten die Erkenntnis vor, dass im Schreibprozess Wissen nicht nur reproduziert, sondern dass es über Zielstrategien auch verändert und neu produziert wird. Scardamalia/Bereiter stellen dem knowledge-telling-model (bei Schreibanfängern) das knowledge-transforming-model (bei Experten) gegenüber (Scardamalia & Bereiter 1987).
In textlinguistischen Überlegungen führen Beaugrande und Dressler als Phasen der Textproduktion an:
- Planung,
- Ideation (Gestaltung des Inhalts, Steuerungsmittelpunkte),
- Entwicklung (Suchen nach gespeicherten Wissensräumen, Problemlösung),
- Ausdruck (Suche nach Ausdrücken),
- grammatische Synthese (lineare Anordnung grammatischer Abhängigkeiten) (Beaugrande & Dressler 1981: 42 ff).
Sie weisen darauf hin, dass die Phasen nicht strikt nacheinander ablaufen (Beaugrande & Dressler 1981: 45).
Herrmann und Hoppe-Graff (1988) gliedern die Textproduktion in drei Prozessstufen: Wissensaktualisierung und Fokussierung (287 ff), Selektion und Linearisierung (291 ff), verbale Enkodierung (294 ff). Sie erklären, dass die Prozesse der drei Stufen zeitlich parallel ablaufen und dass die Stufen funktional miteinander interagieren bzw. durch Rückkoppelungsschleifen miteinander verbunden sind (286). Die verbale Enkodierung sei allerdings funktional abhängig von den vorgeordneten Planungsprozessen (296).
Nach Heinemann & Viehweger ist für die Textstrukturierung die dem übergeordneten Ziel entsprechende Auswahl an Kerninformationen wichtig, ebenso die Entscheidung für ein (textsortenspezifisches) Strategiemuster, wodurch die Anordnung der Informationen und Illokutionen im Text geregelt werde (Heinemann & Viehweger 1991: 235). Als komplexe Strategiemuster unterscheiden sie Narration, Deskription und Argumentation (237).
In der Textproduktion werden nicht alle Informationen, die übermittelt werden sollen, explizit formuliert; denn es wird vorausgesetzt, dass die Textrezipienten auf der Grundlage der gegebenen Kommunikationssituation und des eigenen Vorwissens (und bedingt durch Konventionen) inferieren.
Siehe auch
Handeln, sprachliches Handeln, Intentionalität, Textplanung, Wissensverarbeitung, Wissen, Wissenssysteme, Strategiemuster, Textmuster, Textmusterwissen, Textkomposition, Textthema, thematische Entfaltung, rezeptive Textverarbeitung, inferieren
Link
Eva Schoenke, Textlinguistik-Glossar
Literatur
- Antos, Gerd. 1982. Grundlagen einer Theorie des Formulierens. Textherstellung in geschriebener und gesprochener Sprache (= Reihe Germanistische Linguistik 39). Tübingen: Niemeyer.
- Antos, Gerd. 2000. Ansätze zur Erforschung der Textproduktion. In ???. Brinker u.a. (Hrsg.), 105-112.
- de Beaugrande, Robert-Alain & Dressler, Wolfgang Ulrich. 1981. Einführung in die Textlinguistik (= Konzepte der Sprach- und Literaturwissenschaft 28). Tübingen: Niemeyer.
- Bereiter, Carl. 1980. Development in Writing. In Cognitive Processes in Writing. Gregg, Lee W. & Steinberg, Erwin R. (eds.), 73-93.
- Hayes, John R. & Flower, Linda S. 1980. Identifying the Organization of Writing Processes. In Cognitive Processes in Writing. Gregg, Lee W., Erwin R. Steinberg (eds.), 3-30.
- Heinemann, Wolfgang & Dieter Viehweger. 1991. Textlinguistik. Eine Einführung (= Reihe Germanistische Linguistik 115). Tübingen: Niemeyer.
- Herrmann, Theo & Hoppe-Graff, Siegfried. 1988. Textproduktion. In Wissenspsychologie. Mandl, Heinz, Hans Spada (Hrsg.), 283-298.
- Molitor-Lübbert, Sylvie. 1996. Schreiben als mentaler und sprachlicher Prozess. In Schrift und Schriftlichkeit / Writing and Its Use. Ein internationales Handbuch zeitgenössischer Forschung / An International Handbook of Contemporary Research 2. Halbbd. / Volume 2. Günther, Hartmut, Otto Ludwig (Hrsg.), 1005-1027.
- Scardamalia, Marlene & Bereiter, Carl. 1987. Knowledge Telling and Knowledge Transforming in Written Composition. In Advances in Applied Psycholinguistics Vol. 2: Reading, writing and language learning. Rosenberg, Sheldon (ed.), 142-175.